«Pflanzenschutz endet nicht auf dem Acker»
von Redaktion
BauernUnternehmen, 17. Mai 2021
Im April und Mai beginnen die Schweizer Kartoffelbauern mit dem Anbau der Lagerkartoffeln. So auch Samuel Guggisberg aus Zimmerwald. Mit einer speziellen Kartoffelpflanzmaschine setzt er die Saatkartoffeln Reihenweise in die Erde. Wenn alles nach Plan läuft, kann er ab September die ersten Kartoffeln ernten. «In guten Jahren ernte ich je nach Sorte zwischen 35 und 55 Tonnen Kartoffeln», sagt er. Doch in der Landwirtschaft gebe es eben nicht nur gute Jahre. Krankheiten und Schädlinge führen immer wieder zu Ernteverlusten. Bei Kartoffelbauern besonders gefürchtet ist die Kraut- und Knollenfäule. Der Fadenpilz Phytophthora infestans kann sich je nach Witterung rasant ausbreiten und riesige Flächen befallen. Im Biolandbau forscht man seit Jahrzehnten ohne grossen Erfolg an einer wirksamen Alternative zu Kupfer. Gingen früher ganze Ernten verloren, so können die Schäden in der konventionellen Landwirtschaft heute dank dem Einsatz von Fungiziden meist in Grenzen gehalten oder sogar ganz verhindert werden. «Problematisch wird es jedoch, wenn es so lange geregnet hat, dass man mit den Maschinen nicht mehr aufs Feld fahren kann», sagt Guggisberg. «Dann kann es, wie im Jahr 2016 zu Totalsaufällen kommen.»
Ohne Pflanzenschutz geht es nicht
Eine andere gefürchtete Plage auf dem Kartoffelacker sind Drahtwürmer. Sie fressen sich in die neuen Kartoffeln und können so grosse Ernteverluste verursachen. Auch Guggisbergs Kartoffeln waren schon von ihnen befallen: «Vor zwei Jahren haben Drahtwürmer zwei Hektaren meiner Kartoffelfelder befallen. 70 Tonnen meiner Kartoffelernte ging dadurch verloren.» Die von den Würmern durchbohrten Knollen konnten nur noch als Tierfutter verwendet werden. Leider gibt es zur Bekämpfung der Drahtwürmer nur noch in diesem Jahr direkt wirkende Pflanzenschutzmittel. Ohne sie wird der Anbau von Kartoffeln in der Schweiz noch mehr zur Lotterie. Wenn die Kartoffeln die Sommermonate gut überstanden haben, werden sie ab September geerntet. Samuel Guggisberg macht dies mit einem einreihigen Kartoffelvollernter. Diese Maschine erntet die Knollen mitsamt Kraut und Erde aus dem Boden und siebt die Kartoffelknollen schonend heraus. Steine und Erde landen wieder auf dem Acker.
Weniger Food Waste dank Pestiziden
Nach der Ernte werden die Kartoffeln in einer Sortieranlage nach Grösse und Qualität sortiert und anschliessend gelagert. Zunächst müssen die Kartoffeln mittels Belüftung getrocknet werden, denn die Knollen kommen aus der feuchten Erden. Anschliessend ist die richtige Temperatur entscheidend. Die Kartoffeln sollten je nach Verwendungszweck bei 4 - 8 Grad Celsius und einer hohen Luftfeuchtigkeit gelagert werden. Aber auch im Lager können Kartoffeln von Schädlingen und Krankheiten befallen werden und beginnen zu faulen. «Pflanzenschutz endet nicht auf dem Acker. Die richtige Lagerung ist zur Vermeidung von Food Waste entscheidend», sagt Guggisberg. In die Lagerkartoffeln wurde der grösste Teil an Energie wie Treibstoff, Dünger oder Pflanzenschutz bereits investiert. «Es wäre schade, wenn bei der Lagerung noch etwas schief laufen würde.»
Keimhemmer bald verboten?
Ein Problem ist, dass Kartoffeln teilweise sehr früh beginnen zu keimen. Das trifft insbesondere in sehr heissen Sommern zu. Je schneller die Kartoffeln keimen, desto weniger lang sind sie haltbar. «Deshalb können Kartoffeln während der Lagerung mit Keimhemmer behandelt werden. Sie verhindern, dass die Kartoffeln bereits während der Lagerung keimen und unbrauchbar werden», so Guggisberg. Keimhemmer leisten deshalb einen entscheidenden Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Ihr Einsatz wäre jedoch durch die Trinkwasser-Initiative und die Pestizidverbots-Initiative gefährdet. Das meistverwendete Mittel war Chlorpropham. Sein Einsatz ist seit Oktober 2020 verboten. Die Suche nach einem Nachfolgeprodukt gestaltet sich schwierig. Zwar gibt es mit dem Mittel 1,4 Sight® eine Alternative. Doch diese ist sehr teuer. «Alleine die Maschine, die das Mittel ausbringt, kostet über 15'000 Franken. Vor allem kleinere Betriebe können sich das nicht leisten. Zudem bedingt es spezielle bauliche Anforderungen an das Lager», sagt Guggisberg. «Bei einer Annahme der Pestizidverbots-Initiative wäre auch dieses Keimverhütungsmittel nicht mehr erlaubt», gibt Samuel Guggisberg zu bedenken.
Mehr Food Waste und Importe
Ein anderes Problem sind Erwinia Bakterien oder Pilzsporen. Sie können sich im Lager breit machen und sich unbemerkt von der letzten Ernte auf die nächste übertragen. Die Kartoffeln beginnen zu faulen und werden unbrauchbar. Zwar trete dieser Fall nur selten ein. Doch die Desinfektion von Lager und Gebinde sei neben perfekten Lagerbedingungen eine wichtige Massnahme zur Verminderung des Risikos. «Doch auch Desinfektionsmittel dürften wir zur Reinigung des Lagers nicht mehr verwenden», sagt Guggisberg. Desinfektionsmittel sind Biozide und diese gehören zu den Pestiziden. Sie würden bei einem Ja zur Pestizidverbots-Initiative oder Trinkwasserinitiative verboten. Für Samuel Guggisberg ist klar: «Wir müssen auch nach der Ernte in der Lage sein, unsere Kartoffeln zu schützen.» Ohne Keimhemmer könnten Lagerkartoffeln nur noch kurz gelagert werden. Die Verfügbarkeit von Schweizer Kartoffeln würde abnehmen. «Dann würden bis zur nächsten Ernte einfach sämtliche Kartoffeln importiert. Das widerspricht dem Wunsch der Schweizerinnen und Schweizer nach Lebensmitteln aus regionaler Produktion.»