Eröffnungsrede an der Tier & Technik 2019

von Redaktion

Samuel Guggisberg, Präsident von BauernUnternehmen, hält die Eröffnungsrede der Tier & Technik 2019

Eröffnungsrede von Samuel Guggisberg, Präsident der IG BauernUnternehmen an der Tier & Technik 2019 über zunehmende Regulierung in der Landwirtschaft und die Einengung des Spielraums für das unternehmerische Handeln der Schweizer Bauern.

"Sehr geehrte Damen und Herren

Vor knapp einem Jahr haben wir die Interessengemeinschaft BauernUnternehmen ins Leben gerufen. Sie ist das Sprachrohr unternehmerischer Schweizer Bauern und vereinigt leistungsorientierte Bauern, denen qualitativ hochstehende Produkte und eine standortgerechte Schweizer Produktion ein grosses Anliegen sind. In der kurzen Zeit seit der Gründung stellen wir ein grosses Interesse an BauernUnterehmen fest. Wir rennen bei vielen Landwirten offene Türen ein. Das freut uns, macht uns aber auch nachdenklich: Offenbar herrscht in der Landwirtschaftspolitik Handlungsbedarf, die Unzufriedenheit ist gross.

Heute bestimmen über 4'000 Seiten an Gesetzen, Verordnungen und weiteren Vorschriften den bäuerlichen Alltag. Bundesordner an Bundesordner füllen die Regale auf dem Bauernhof. Dem Bauern wird so die Entwicklung zum selbständigen Unternehmertum definitiv erschwert. Einer produktionsorientierten und modernen Landwirtschaft werden bürokratische Steine in den Weg gelegt. Dem eigens gesetzten Ziel die Bürokratie zu minimieren scheint auch die Agrarpolitik22+ nicht gerecht zu werden.

Warum braucht es einen solch vehementen Systemwechsel wie es in der 161 Seitigen Vernehmlassung zur AP22+ steht? Dass es Veränderungen braucht in der Agrarpolitik, sind sich alle einig. Aber mit einem derartigen Rundumschlag auf Gesetzesebene werden nicht nur Probleme gelöst, man schafft sich auch wieder neue. Und das ohne für die Schweizer Produkte einen am Markt lösbaren Mehrwert zu erhalten. Bisherige Förderungen von zum Beispiel Gülleausbringtechniken werden neu als Standard angesehen und nicht mehr unterstützt. Parallel wird mit neuen Anreizen eine weitere Ökologisierung angestrebt. Als Produzent von gesunden, Schweizer Nahrungsmitteln bekommt man etwas salopp den Eindruck, dass die neue AP22+ eine Beschäftigungstherapie für jegliche staatliche, Institutionen rund um die Landwirtschaft ist.

Die Vernehmlassung zur AP22+ hat unter anderem auch folgenden Punkt auf Seite 38: «Emissionen und der Verbrauch nicht-erneuerbarer Energien können in der Schweiz auch mit weniger Inlandproduktion und vermehrtem Import reduziert werden.» Meine Damen und Herren ist das das Ziel einer Schweizer Landwirtschaft? Wir Importieren Nahrungsmittel auf Kosten der hiesigen Produktion und exportieren gleichzeitig die Emissionen? Diese zynische Denkweise gibt hoffentlich nicht nur mir zu Denken. So belasten wir eine andere Region umso mehr, Transporte steigen und der Weltweite Flächenbedarf für die landwirtschaftliche Produktion nimmt noch mehr zu. Beim Import von Nahrungsmittel lagern wir deshalb oft nicht nur die Produktion aus, sondern auch die Verantwortung. Weil wir weltweit nur sehr begrenzt kontrollieren können, verursacht unser Handeln oft unkontrollierbare Schäden an der Natur

Noch fast schlimmer war meines Erachtens die Meldung letzten Herbst, dass in der Schweiz über 22’000t Brotgetreide zu Futtergetreide deklassiert werden. Ja, warum den das? Hat es zu viel auf dem Schweizer Markt, der sich dank dem Bevölkerungswachstum eigentlich ausdehnen sollte? Oder hängt das mit den steigenden Importen von tiefgefrorenen Teiglingen zusammen? Diese gehen dann frisch aufgebacken über die Verkaufstheken des Detailhandels. Eigentlich kann man da sagen: «unser tägliches Brot in fremden Händen?» Die Schweizer Bauernschaft erhält für ihre Produkte niedrige Absatzpreise. Hervorgerufen durch Importe und politische Entscheide. Das faktische Duopol auf Detailhandelsstufe fährt die hohen Margen ein. Das Nachsehen haben die Bauern. Hier haben wir nicht nur das Problem, dass die gesamte Wertschöpfung von der Getreideproduktion in der Landwirtschaft über die Mühlen bis hin zum Bäcker ausgelagert wurde. Sondern wir unterstützen mit den importierten Teiglingen eine Anbauform, die hier in der Schweiz nicht erwünscht, beziehungweise gar nicht zulässig ist. Diese und ähnliche Entwicklungen lassen sich leider auch in der Milchwirtschaft, beim Zucker und anderen Bereichen feststellen. Da braucht es Gegensteuer.

Die Ernährungssicherheit ist in Artikel 104 in der Schweizer Bundesverfassung verankert und ist nicht zuletzt von strategischer Bedeutung: Nur eine ausreichende und erschwingliche Versorgung ist der Garant für sozialen Frieden und Wohlstand. Wir haben die 50% Marke in der Eigenversorgung erreicht; Tendenz sinkend. Wie wollen wir in Zukunft diese Gesetzesvorgabe erreichen? Es ist keine einfache Aufgabe. Nach wie vor geht jede Sekunde fast ein Quadratmeter Kulturland verloren. Gleichzeitig gibt es eine immer stärkere Tendenz zur Extensivierung. Dies wird vom Bund tatkräftig unterstützt mit zusätzlichen Bedingungen für den Erhalt der Direktzahlungen. Wie das Wort Extensivierung aber sagt, wird pro Fläche weniger produziert. Der Rückgang der Ackerfläche und die Steuerung der Produktionssysteme führen zwangsläufig zu einer abnehmender Inlandproduktion. Eine Einschränkung der Hilfsmittel führt über das langjährige Mittel ebenfalls zu einer geringeren Produktion und zu grösseren Ertragsschwankungen von Jahr zu Jahr. Als der regionsübergreifende Agrarhandel noch nicht praktikabel war, kam es deswegen in extremen Jahren zu Hungersnöten. Und das ist noch gar nicht so lange her. Die Ernährungssicherheit kann nur durch eine Professionalisierung und Intensivierung der Landwirtschaft erreicht werden.

Der bestehende Ökologische Leistungsnachweis ist im Vergleich zum Ausland bereits jetzt hervorragend in Punkto Nachhaltigkeit. Auf die gut eine Million Hektaren Kulturland kommen ca. 15% Biodiversitätsförderflächen. Die Tierschutzbestimmungen in der Schweiz suchen international seines Gleichen. Von den weitergehenden Schweizer Label Haltungsformen können ausländische Tiere nur träumen.

Und so gibt es noch viele Tatsachen, in denen sich die Schweizer Landwirtschaft nirgends verstecken muss. Deshalb würden wir uns wünschen, dass das BLW selbstsicherer Auftritt und mehr Eigenverantwortung zeigt. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben somit bereits heute alle Möglichkeiten, die gewünschte Produktionsrichtung mit Ihrem Kaufverhalten zu fördern. Leider deckt sich dieses Kaufverhalten nicht immer mit den Abstimmungsresultaten an den Landwirtschaftsinitiativen.

BauernUnternehmen sucht den Diskurs und ist bereit mit allen an den Tisch zu sitzen und die streitigen Punkte auszudiskutieren. Denn am Ende des Tages verfolgen wir alle dasselbe Ziel. Wir Landwirte würden das so formulieren: «Einen Hof seinen Kindern zu überlassen, welcher auch ihnen als Lebensgrundlage für eine gute und gesunde Zukunft dienen kann.»

Ich fasse folgende Hauptbotschaften zusammen. Damit die Schweizer Landwirtschaft ihr potential verwirklichen kann, braucht es:

  • Ausgezeichnet ausgebildete Fachkräfte und Professionalisierung der Landwirtschaft.
  • Aufklärung und sachliche Diskussion, um gegen die verhärteten Fronten vorzugehen.
  • Öffentlichkeitsarbeit, um die Konsumenten näher an die Realitäten der modernen und zukunftsgerichteten Landwirtschaft zu führen. Sie dürfen ihr Bild nicht aus Broschüren oder Fernsehwerbung von Detailhändlern ableiten.
  • Selbstkritisch bleiben und sich den Spiegel vorhalten. Was machen wir gut, wo haben wir noch Verbesserungspotential.
  • Den Staat und seine Regulierungen nicht über den «BauernUnternehmer» stellen. Innovationen fördern und das unternehmerische Potenzial der Landwirte aktivieren.
  • Sich nicht von reisserischen, angstschürenden Stimmungsmachern beeinflussen lassen. Die anstehenden Initiativen schränken nicht nur die unternehmerische Freiheit ein, sie sind auch nicht in Einklang zu bringen mit dem Auftrag der Versorgungssicherheit.

Auch darf moderne Landwirtschaft nicht in Kategorien wie Bio, IP oder ÖLN-Produktion gesteckt werden. Bauern sollen professionell arbeiten. Betriebe sollen mit einer rationalen landwirtschaftlichen Produktionsweise, welche alle technologischen Möglichkeiten nutzt, um mit möglichst wenig Ressourcen an Ackerland, Wasser, Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Treibstoffen möglichst viele Nahrungsmittel herzustellen.

Wann bekennen wir uns wieder zu einer gewollten, konsequenten, inländischen Produktion? Wir haben von den besten Böden, in der Regel genügend Niederschlag und ideale klimatische Bedingungen in der Schweiz. Warum soll hier immer weniger produziert werden, nur weil wir es uns leisten können den Ärmsten dieser Welt die Nahrungsmittel vom Teller zu kaufen.

Der Bauer muss als Unternehmer ins Zentrum gestellt werden, anstatt ihm jeden Handgriff vorzugeben. Dazu muss das Vertrauen der Konsumenten hergestellt werden. Dies ist die Grundlage - die Politik wird folgen.

Vielen Dank!"

 

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